Karos Kolumne
Karo auf der Documenta
Die documenta in Kassel ist immer eine Reise wert. Alle fünf Jahre kann man sich das ruhig mal anschauen, auch wenn man nicht gerade zum intellektuellen Kunstpublikum gehört. Das erkennt man in diesem Jahr an besonders großen, runden Brillen mit einem fetten schwarzen Brillengestell. Dazu schlichte schwarze Klamotten mit ein bisschen Wallawalla und fertig ist das documenta-Outfit. Ok, da bin ich raus. Aber es geht ja nicht ums Publikum, sondern um die Kunst.
Die documenta fifteen wurde in diesem Jahr von dem indonesischen Künstlerkollektiv ruangupa kuratiert, das der Ausstellung Werte und Ideen von „lumbung“ zugrunde gelegt hat. Ich zitiere aus dem Ausstellungskatalog: „lumbung ist die konkrete Praxis, deren Grundsätze von Kollektivität, Ressourcenaufbau und gerechter Verteilung den gesamten Prozess der documenta fifteen prägen. Die Arbeitsweise von ruangrupa beruht auf einem alternativen, gemeinschaftlich ausgerichtetem Nachhaltigkeitsmodell, das ökologische, soziale und ökonomische Aspekte berücksichtigt. Ressourcen wie Zeit, Geld, Ideen und Wissen werden geteilt.“ Aha. So viel dazu. Wenn man die documenta fifteen richtig verstehen will, muss man eindeutig tiefer einsteigen, als ich das getan habe.
Für mich sieht vieles aus wie „Vergangenheitsbewältigung“. Es geht um Krieg, Aufstände, Zerstörung. Da stehen echte menschliche Schädel auf uniformähnlichen Metallkörpern mit Gewehrphallus in der Kirche. Darüber hat sich bisher keiner aufgeregt. Ist ja schließlich Kunst. Wenn ich mich jetzt richtig in die Nesseln setzen will, sah vieles aus, wie in den Länderpavillons der Expo 2000. Da konnte man damals auch Kunsthandwerk bestaunen. Ich will damit die Kunst nicht schmälern, habe aber die eigentlichen Ideen vermisst. Das Visionäre. Oder ich habe es schlichtweg nicht verstanden, nicht richtig hingeschaut oder es einfach übersehen. Kann alles sein.
Was ich jetzt wirklich nachhaltig fand, waren die Örtlichkeiten in Kassel selbst. Ein altes Kaufhaus wurde zum Treffpunkt, ein Hallenbad wurde zum Ausstellungsort. Neben Museen wurden Kirchen, Plätze, Fassaden, Parks, Unterführungen und Fabriken mit einbezogen. So, wie eigentlich jedes Mal. Eine ganze Stadt wird zum Ausstellungsort. Die Aufregung um einige Kunstwerke haben der documenta nicht geschadet. Eher im Gegenteil. Die Ausstellung war sehr gut besucht.
Ich habe mir einen Tag die Füße platt gelaufen, viel gesehen, viel bestaunt und einige Male den Kopf geschüttelt. Das sollte ich ruhig öfter machen. Die documenta ist am 25. September vorbei. Wir haben in Hannover so viele tolle Museen und Orte von und für Kunst, da muss ich nicht fünf Jahre warten, bis ich mich wieder mit Kunst beschäftige!