Karos Kolumne

Ich bin noch Jungfrau

Tattoos

Es gibt Tattoos und es gibt Tattoos. Also das Arschgeweih am Hintern oder den Namen des Ex-Lovers auf dem Oberschenkel. Oder echte Kunstwerke, die komplette Rücken, Arme oder Beine zieren. 

Durch meinen Job habe ich immer wieder Kontakt zu Existenzgründern, die spannende Geschichten zu erzählen haben. Neulich habe ich ein Interview mit Pablo geführt, der das Gato Tattoo Piercing Studio am Klagesmarkt aufgemacht hat. Von ihm wollte ich natürlich auch wissen, wie alt seine Kunden sind, was sie wollen und wieviel kreative Freiheit er hat: Seine Kunden und Kundinnen sind sehr gemischt, die Jüngsten sind noch mitten in der Pubertät und seine älteste Kundin ist weit über 80. Die jungen Mädels kommen meist mit sehr genauen Vorstellungen zu ihm, weil sie bei irgendeinem Youtube-Star ein Tattoo gesehen haben, was sie unbedingt auch haben wollen. Langweilig. Das ist dann ein bisschen so wie bei den Plagiaten aus China. Eben nur geklaut und nachgemacht. Mehr Spaß machen Pablo Leute in unserem Alter. Die kommen dann zu ihm mit einem Stichwort. „Irgendwas mit Tintenfisch“, oder so. Dann kann er sich austoben, Entwürfe machen, die richtige Stelle am Körper finden und loslegen. 

Inzwischen sind Tattoos ja mehr als salonfähig. Könnt Ihr Euch noch dran erinnern, als bekannt wurde, dass die Gattin eines früheren Bundespräsidenten sogar mehr als ein Tattoo hat? Ein Skandal! Heute wirst Du komisch angeschaut, wenn Du kein Körperkunstwerk hast. Ich bin ehrlich gesagt ganz froh, dass ich keins habe und dass so mancher Kelch an mir vorübergezogen ist. Das Arschgeweih zum Beispiel. Vor gefühlt 20 Jahren war das mega. Wenn ich mir vorstelle, wie sich mein Körper in den letzten 20 Jahren verändert hat und was das mit einem Tattoo gemacht hätte… Da wäre aus dem Arschgeweih eine verblasste Tierherde geworden. Oder das Tribal am Oberarm. Heute trage ich nicht mal mehr T-Shits oder Kleider ohne Ärmel. Also ist so ein „Schmuckstück“ völlig sinnlos.

Auf meinen Reisen begegnen mir immer wieder wandelnde Bilderbücher. Männer, die mit stolz geschwelter Brust ihre Liebsten auf bzw. unter der Haut tragen. Selbst mein Banker hat mir verraten, dass jenseits von Hemdkragen und Manschetten alles bebildert ist. Ich hab noch nicht ganz rausbekommen, warum man das macht, also eine Art Tagebuch und Lebensgeschichte auf der Haut trägt. Von Partnern über Haustiere, von Muttis und verstorbenen Großeltern bis zu Botschaften und Klosprüchen habe ich schon vieles gesehen. Was ich immer noch schräg finde sind Tattoos auf Fingern. Oder spontane Liebesbekundungen, die man später nur noch schwer wieder wegbekommt. Ich erinnere mich an „Hochzeit auf den ersten Blick“. In der Sendung hat sich ein Paar, das sich nahezu blind getraut hat, das Hochzeitsdatum auf die Haut gravieren lassen. Blöd nur, dass die dann kurze Zeit später wieder getrennt waren. Jetzt hat er sie immer noch am Hals und wird jeden Tag im Spiegel an diese Sendung erinnert. Zum Glück gibt es solche Künstler wie Pablo, der aus einer solchen Misere noch was Tolles zaubern kann. So werden dann die wandelnden Bilder- und Tagebücher immer bunter….