Karos Kolumne
Auf zu neuen digitalen Ufern: Karo und Technik – mehr Widerspruch geht nicht
Mein iPod ist tot.
Erinnert Ihr Euch noch an die kleinen Dinger, die vor gefühlt 20 Jahren der Mega-Hit waren? Hier konnte man jede Menge Musik drauf speichern, bis das Ding rappelvoll mit Daten war. Auf meinem gab es 1.762 Songs. Im Vergleich zu heute ein Witz. Ich kenne die Anzahl der Stücke deshalb so genau, weil mich dieses kleine Gerät viele Jahre überall begleitet hat. Im Garten, wenn ich Unkraut gerupft habe, auf Reisen, in der Bahn oder im Flieger, auf Fitnessgeräten, beim Frischeluft schnappen. Überall hing es in seiner inzwischen ziemlich verschließenden Hülle um meinen Hals. Jetzt ist es tot. Mausetot. Und es ist nicht etwa an Altersschwäche in der Schublade gestorben. Nein. Viel, viel schlimmer:
Ohne Musik geht gar nichts
Ich war wieder auf Reisen. Im Fitnessbereich eines – wie soll es anders sein – Kreuzfahrtschiffes trieb es mich zu Höchstleistungen an. Wenn ich schon auf einem Ergometer sitze und dabei aufs Meer schauen darf, dann bitte auch mit der richtigen Musik. Ich habe es geliebt, wie diese kleine flache Metallbox meine Lieblingsmusik nach dem Zufallsprinzip gespielt hat. 1.762 Songs wurden immer wieder neu zusammengestellt. Sensationell und tatsächlich immer wieder überraschend! Dann war der kleine Freund plötzlich weg, was mir erst beim Koffer packen wieder aufgefallen ist. Denn ich wollte ihn noch mal mit Energie versorgen, damit ich meine traurigen „der-Urlaub-ist-zu-Ende-Songs“ hören konnte, so wie bei jedem Ende einer Reise. Denkste. Er war verschwunden. Nachdem ich den bereits gepackten Koffer noch einmal auf Links gedreht habe, rief ich die Rezeption an und fragte dort nach, ob zufällig ein MP3-Player gefunden wurde. Und zu meiner großen Überraschung bekam ich sofort ein Ja zu hören. Freudestrahlend rannte ich runter zur Rezi, um meinen treuen Freund wieder in Empfang zu nehmen. Oder das, was von ihm noch übrig war. Er sah schrecklich aus. Er muss mir irgendwann nach dem Sport aus der Tasche gefallen sein. Und dann wurde er zu Tode getrampelt, von einer Sonnenliege überfahren oder von der Kehrmaschine erwischt worden sein. Oder alles zusammen. Der arme Kerl war verbeult, die Kopfhörer kaputt und die eh schon ramponierte Hülle hatte deutliche Wasserflecken. Das junge Mädel an der Rezeption, die ich tagelang wegen ganz fieser Corona-Einreiseformalitäten wirklich gequält hatte, sah mich mitleidig an und sprach mir Mut zu. „Frau Eggert“, sagte sie, „das Ding brauchen Sie doch heute gar nicht mehr. Dafür gibt es doch digitale Musikabos. Und Kopfhörer mit Kabel benutzt doch kein Mensch mehr.“ Wenn sie wüsste, dass ich noch einen Walkman und Kassetten in der Schublade habe….
Natürlich habe ich die Überreste meiner Musikmaschine mit nach Hause genommen, um ihr ein anständiges Begräbnis zukommen zu lassen. Wahrscheinlich verschwindet sie jetzt in der Schublade, in der auch der Walkman liegt. Vielleicht können die irgendwie miteinander kommunizieren?! Wer weiß… Jetzt werde ich aufrüsten. Also eher aufrüsten müssen. Denn ohne Musik geht gar nicht. Ich brauche meine Herzschmerzsongs, die Stimmungsmacher, die Einschlafmusik, die Hintergrundberieselung beim Essen mit Freunden. Ich werde jetzt ein Musik-Abo abschließen, mir kabellose Kopfhörer zulegen und mich zwangsläufig mit modernen Technologien beschäftigen. Also auf zu neuen digitalen Ufern!
Digitales 2022
Was ich aber damit sagen will. Es gibt Dinge, da hängt einfach das Herz dran. Wie an diesem Musikding mit Kabel-Kopfhörern oder wie an meiner alten Modeschmuckuhr mit dem Testbildziffernblatt. Das kennt die junge Generation nicht mal mehr. Der Zeitmesser hat inzwischen ebenfalls seinen Geist aufgegeben, man kann dort aber noch ein neues Uhrwerk einbauen lassen. Im Gegensatz zum Player geht da noch was. Ich liebe Uhren, die noch echte Uhren sind. Also mit einem Ziffernblatt und keiner schwarzen Fläche, auf die man alles Mögliche projizieren kann. Neulich habe ich eine Uhr getragen, die man noch per Hand aufziehen muss. Nichts mit Batterie und schon gar nicht digital. Bin ich deshalb altmodisch und aus der Zeit gefallen? Bin ich technisch stehen geblieben oder noch viel schlimmer – ins Steinzeitalter zurück gekehrt? Mich hat Technik nie besonders begeistert und ich würde mich auch als echte Technik- bzw. Digitallusche bezeichnen. Jetzt ist es natürlich einfach, sich hinter diesem Vorhang zu verstecken mit dem Argument „braucht man um die 50 alles nicht mehr“. Blödsinn. Gerade jetzt sollte ich mich ein bisschen mehr mit Dingen beschäftigen, die heute einfach zum Leben dazu gehören. Ich kann mich nicht verschließen. So wie meine Mutter, die sich vehement geweigert hat, jemals einen Computer zu bedienen. Also gibt es jetzt Hausaufgaben für mich. Neues Handy, das mehr kann, und jemanden finden, der mir zeigen und erklären kann, was das jetzt alles kann, wozu ich das brauche und überhaupt. Wenn es da draußen noch mehr Menschen gibt, denen es genauso geht wie mir, dann schreibt mir. Vielleicht machen wir dann daraus einen Kurs „Handy- und Digital-Features im Jahr 2022“ oder einfach nur „Auf ins digitale Zeitalter. Kurs für Anfänger und Technikluschen wie Karo“. Ich frag mal Carsten. Vielleicht bekomme ich bei ihm eine Nachhilfestunde! Aus purem Mitleid….