Karos Kolumne

Ich war auf Kreuzfahrt

Traumschiff in „echt“

Ja, ich gebe es zu. Früher habe ich gerne „Traumschiff“ geschaut. Einfache Handlungen mit vorhersehbarem Ende, schöne Bilder von fernen Zielen, immer nett inszeniertes Kulturprogramm für Touris und zum Schluss der Einmarsch des Service-Personals mit Torte und Wunderkerzen.
Schaute man sich das Publikum genauer an, waren die für mich alle scheintot mit Fliege und langärmeligen Glitzerkleid. Das sah teuer aus. Und alt. Sowas könnte ich machen, wenn ich scheintot bin, habe ich damals gedacht. Trotzdem – irgendwas hat mich daran gereizt. Die AIDA kam auf den Markt, Kreuzfahrten wurden erschwinglich und auch der Altersdurchschnitt rutschte dramatisch nach unten. TUI zog mit der „Mein-Schiff-Flotte“ nach und mittlerweile boomt der Kreuzfahrt-Tourismus weltweit immer weiter.

Inzwischen habe ich 12 Kreuzfahrten hinter mir. Angefangen in Richtung Oslo, damals noch mit meiner Mutter, Jahre später ein neuer Versuch in Richtung Kanaren mit Partner und danach Dubai. Noch mal Kanaren mit Marokko, von Antalya nach Dubai durch den Suezkanal – beides Reisen, die ich alleine gemacht habe. Ging prima. Dann noch mal Dubai, weil das Wetter so schön war und Asien, weil ich hier vieles kennenlernen wollte. Jede Reise war anders, es gab immer etwas zu erzählen. Positives wie negatives. Von verschwundenen Koffern bis zum Einsperren auf der Kabine, von wirklich tollen Reisezielen, die ich sonst nie besucht hätte, bis hin zu netten Menschen, die man da tatsächlich auch kennen lernen kann.

2021 war dann mein Rekordjahr, was Schiffsreisen angeht. Während hier Corona wütete, haben die Reedereien um jeden Passagier gebuhlt und wahnsinnig günstige Preise rausgehauen, die auch für Alleinreisende echt attraktiv waren. Man zahlte nur noch 20 Prozent statt der sonst üblichen 70 bis 80 Prozent Einzelkabinenzuschlag. Das hat mich so begeistert, dass ich gleich vier Mal in See gestochen bin. Das hätte ich mir unter normalen Bedingungen sonst nie leisten können. Die Reedereien sind übrigens supersorgfältig, was die Sicherheitskonzepte angeht. Tests vorab und zwischendurch, Fiebermessen, Händewaschen unter Aufsicht, jede Menge Desinfektionsständer, Gesundheitsfragebögen im Vorfeld der Reise etc. Wirklich gut. Als im April 2021 alle noch nicht geimpft waren, habe ich mich an Bord sicherer gefühlt als an der Kasse im Supermarkt.

Einige werden jetzt sagen – was für eine Umweltsau. Ja, da kann man sich drüber streiten. Doch auch die Reedereien haben dazu gelernt und wissen sehr genau, dass ihnen die Gäste abhandenkommen, wenn sie nicht noch mehr für den Umweltschutz tun. Und sie sind dabei, viele neue Ideen und Technologien umzusetzen.

Kreuzfahrt für umdie50.de?!

Zurück zu unserem Thema: Sind Kreuzfahrten was für Menschen in unserem Alter? Ich würde mal sagen ja. Ich habe zwar auf der letzten Reise den ersten Rollator gesehen – die Dame schien aber eher eine Bein-OP hinter sich gehabt zu haben, und junge Familien mit Kleinkindern reißen den Altersdurchschnitt wieder nach unten. Was gewöhnungsbedürftig ist – so viele Menschen auf einem Fleck. Es gibt alles. Von Reich über Scheinreich, von Normalos bis Proll-Niveau ist alles dabei. Von Menschen, die offensichtlich nie in den Spiegel schauen, bis zu Menschen, die nur in den Spiegel schauen. Ich habe noch nie so viele hässliche oder auch lustige Shorts, Unterhemden und T-Shirts gesehen wie auf meinen Schiffsreisen. Das klingt jetzt ganz böse arrogant, ist aber tatsächlich so. Meine Klamotten werden auch nicht jedem gefallen haben und mit um die 50 bin ich auch sonst keine Schönheit mehr. Ja, die Haut war schon mal glatter. Aber das trage ich heute mit Würde.  Also darf ich auch ein bisschen über andere lästern, so wie andere sicher auch über mich gelästert haben.

Wer es richtig schick haben will, ist hier eindeutig falsch. Wir waren jetzt über Weihnachten auf dem Schiff – ja, da haben wir uns alle ein bisschen mehr Mühe mit der Garderobe gegeben. Geht doch! Aber der normale Reisealltag sieht anders aus. Leger und lässig. Statt schick und formell. Zumindest kann ich das für die AIDA und Mein Schiff behaupten. Und „lässig“ ist auch eine Frage der Interpretation….

Ich habe eine Liste mit meinen persönlichen Top-10 zusammengestellt, die man unbedingt bei einer Schiffsreise dabeihaben sollte bzw. beachten sollte.

Bevor ich damit anfange, hier noch ein ganz wichtiger Tipp zum Reisen in Corona-Zeiten. Macht Euch unbedingt schlau, was die Länder, in die Ihr einreisen wollt, alles von Euch haben wollen. Von den Reiseveranstaltern gibt es dazu Tipp und auch Anleitungen, an denen ich als Techniklusche allerdings total verzweifelt bin. Und mit mir die Rezeption, die mir anfänglich aus Datenschutz- und anderen Gründen nicht helfen durfte, es dann später aber doch getan hat. Denn nicht nur ich bin in und an Katar gescheitert, sondern gefühlt die Hälfte der Passagiere.

Lest Euch genau durch, was die Reedereien von Euch brauchen, um Euch überhaupt mitnehmen zu können. PRC-Tests rauf und runter, 2 G, 3 G, Masken, Gesundheitsfragebögen und vor allem das Einreisezeug in die jeweiligen Länder. Mich hat das insgesamt über 5 Stunden und echt viel Nerverei mit noch mehr schlechter Laune bedeutet. Das geht zu Hause durchaus entspannter! Also Augen auf! Sonst geht es Euch so wie einigen Familien, die zu Weihnachten nicht mal mehr mit dem Flieger mitgenommen wurden.

Meine Top-10 von Dingen, die man unbedingt bei einer Schiffsreise dabeihaben sollte bzw. beachten sollte

1. Scheuklappen mitnehmen
Wer über das Pooldeck geht, braucht sie. Mehr muss ich dazu nicht sagen…

2. Oropax nicht vergessen
Die Kabinen sind ganz gut isoliert. Aber auf dem Balkon hört man jedes Wort vom Nachbarn. Und wer will schon wissen, wie der Stuhlgang morgens war?!?

3. Ersatzkleidung im Handgepäck
Damals in Dubai war mein Koffer verschwunden. Und wenn das Schiff erst mal unterwegs ist, kommt der auch so schnell nicht wieder. Meiner war 5 Tage weg. Meine Rettung: Ein Kleid und ein paar Sommerschuhe im Handgepäck. Bei Unterwäsche kann die Spa-Abteilung mit Einmalhöschen aushelfen. Nicht schön, aber selten. Vorteil: Wer mich wieder treffen wollte, hat mich am Kleid erkannt.

4. Weniger ist mehr
Seit meinem Koffer-Erlebnis packe ich anders. Nicht mehr nach dem Motto „das könnte ich ja auch mal wieder anziehen“, sondern nur noch Lieblingsstücke, die man gut kombinieren kann. Fällt eh keinem auf, wenn man mal das gleiche trägt und man hat mehr Platz für Mitbringsel im Koffer. Und bloß nicht zu schick.

5. Reiseapotheke
Ja, ich habe jetzt immer alles dabei. Gegen Übelkeit, „Rücken“, Erkältung, Magen-Darm. Denn ich war auf einer Kanarenreise von Erbrechen und Durchfall geplagt. Also ging ich zum Schiffsarzt. Fazit: Eine Rechnung über 200 Euro plus 50 Euro für ein paar Tropfen und Tabletten und ein roter Punkt an der Kabinentür:  Ich wurde in Quarantäne geschickt. 24h Hausarrest, was auch kontrolliert wurde und kostenloser Zimmerservice von Personal mit Gummihandschuhen. Ganz blöd. Wer das nicht erleben will, sollte besser gegen alles vorbereitet sein. (Das war übrigens lange vor Corona…)

6. Ausflüge selber planen
Die angebotenen Ausflüge an Bord sind gut, aber teuer. Es geht auch anders. An jedem Hafen stehen jede Menge Taxen, die einen da hinbringen, wo man will. Meist erfährt man so viel mehr über das Leben der Einheimischen und sieht auch Dinge, die man sonst nicht sehen würde. Es ist individueller und auch günstiger. Und meist findet man am Taxistand Gleichgesinnte. In der Lektüre über das Ausflugsangebot vom Schiff findet man übrigens wertvolle Tipps, was man unbedingt gesehen haben sollte. Es ist auch immer ein Lektor mit an Bord, der etwas über die bevorstehenden Reiseziele erzählt. Da wächst dann die Vorfreude!

7. Gegen den Strom schwimmen
Das Angebot auf Schiffen ist groß. Da ist für jeden etwas dabei. Von Shows über Sport, von Saunanächten bis Kaviar-Frühstück. Es gibt viele verschiedene Restaurants und keine festen Essenzeiten. Von Weihnachten mal abgesehen. Und jeder hat so seinen Rhythmus, meist zur vollen oder halben Stunde. Da hilft es schon, nicht um 20 Uhr zum Essen zu gehen, sondern 20 Minuten später.

Beispiel: Wenn sich „die Meute“ zum Essen fertig macht, gehe ich in die Sauna. Die ist dann schön leer. Wenn die Meute dann zur Show geht, sitze ich entspannt beim Essen. Man kann also trotz der vielen Menschen auch Orte finden, an denen man (fast) alleine ist, wenn man gegen den Strom schwimmt.

8. Baustelle Schiff – meckern hilft
An einem Schiff wird immer irgendwas renoviert, repariert oder gesäubert. Normal, denn das Schiff kommt nur einmal im Jahr für kurze Zeit zum General-Check in die Werft. Da kann es dann auch mal vorkommen – und es ist bis jetzt jedes Mal vorgekommen – dass man eine „Baustelle“ vor der Tür hat. Von der Generalüberholung des Balkondaches bis zur zeitweiligen Ausquartierung in eine Ersatzkabine, von nicht funktionstüchtigen Safes über kaputte Klos und nächtlichem Alarm wegen batterieschwachen Feuermeldern bis zu Wasser durch die Decke. Alles schon erlebt. Man muss aber nicht alles hinnehmen. Hier darf man dann auch mal typisch Deutsch sein und meckern. Meist springt ein nettes Essen in einem der Bezahlrestaurants dabei raus.

9. Fragen stellen
Wer wissen möchte, wie das Leben an Bord für das Team so verläuft, sollte Fragen stellen. Überall. So bekommt man einen spannenden Einblick in das Leben der Crew hinter den Kulissen. Denn ja – das Personal schläft auch an Bord. Und die MitarbeiterInnen haben viel zu erzählen. Lustiges und Kurioses. Und man bekommt wertvolle Tipps für Landgänge, die in keinem Führer stehen.

10. Geld wechseln
Reist man in Länder ohne Euro, geht es trotzdem mit Euro. Bargeld bekommt man in jeder Wechselstube problemlos gewechselt – hier sollte man aber nicht gleich die erste am Hafen nehmen, denn da ist der Kurs meist schlechter. Wem der Euro ausgeht, bekommt immer Bargeld im Casino (Öffnungszeiten nur auf See), was dann gebührenfrei auf die Zimmerrechnung verbucht wird. So spart man sich die meist teuren Gebühren an Geldautomaten.

Würde ich wieder eine Schiffsreise machen? Ja, aber…

Das Publikum ist teilweise gewöhnungsbedürftig. Mag arrogant klingen, ist aber so. Man merkt, dass die Schiffe um jeden Preis voll sein müssen, um sich zu rechnen. Da haut die Reederei auch mal Schnäppchenpreise raus. Natürlich profitiere ich auch davon, genauso wie das Pärchen um die 60 – er mit der volltätowierten Glatze und ACDC-Shirt, sie mit pinkfarbenen Haaren und Motto-Shirt mit Mittelfinger. Das ist dann wie damals in der Schule mit den Poppern und Punks, die im Fach Werte und Normen spannende Diskussionen hatten.

Letztendlich mache ich die Reisen aber nicht wegen meiner Mitreisenden, sondern wegen der Orte, die ich immer schon mal sehen wollte. Es ist unglaublich angenehm, ohne ständig den Koffer packen zu müssen, neue Orte kennenzulernen. Morgens aus dem Fenster in eine völlig neue Umgebung zu schauen. Die Ökobilanz mag nicht die beste sein. Aber auch das haben die Reedereien mittlerweile erkannt und arbeiten dran. Wäre es aber besser, wenn 2.000 Reisende sich alleine auf den Weg machen? Ich weiß es nicht. Meine nächste Reise ist noch nicht geplant. Schau’n wir mal, welche Ziele mich als nächstes reizen… Eins ist aber sicher. Ich werde nie in Treckingsandalen rumlaufen und mir meine Zimmerkarte um den Hals hängen. Weder auf dem Schiff noch an Land…